Neue Kulturgeographie 2024

Die NKG Tagung in Münster entstand in Kooperation mit der Deutsch Stiftung Friedensforschung. Mehr zur Zusammenarbeit: https://bundesstiftung-friedensforschung.de/blog/the-depoliticized-politics-of-the-anthropocene/

[English version below]

Die Macht des Planetaren – Geographien der Transformation zwischen Intervention und Reflexion 

23.-25.05.2024, Schlossplatz 2, Münster

Beginn einer neuen erdgeschichtlichen Epoche, geopolitische Zeitenwende, ein neues Zeitalter sozialer Polarisierung: Die Gegenwartsdiagnosen könnten kaum grundlegender und weitreichender sein. Vor dem Hintergrund der auf der NKG 2023 diskutierten Vielfachkrisen sowie dem planetaren Wandel (DKG 2023) erweisen sich die Geowissenschaften als einer der akademischen Orte, der „zukunftsorientierte“ Reflexionen und transformative Ansätze anbietet. Klimaanpassung, Mitigation und Resilienz, Umweltgerechtigkeit, smarte und nachhaltige Stadtentwicklung, Global Health Security und Planetary Health, Ökosystemdienstleistungen, CO2-Senken, geopolitische Risikoszenarien, globale Sicherheitsarchitekturen, Erstarken anti-demokratischer Kräfte, Deglobalisierung und Postwachstum…, die Liste an Themen und Konzepten, an denen Geograph*innen in Hochschule und Praxis arbeiten, ist lang. Im Zuge des planetary turns kritisieren sozial- und humangeographische Ansätze, dass bei dem Versuch, die gegenwärtigen Herausforderungen zu bearbeiten, die Fokussierung auf das „Gattungswesen Mensch“ zu eng ist. Neben Theorien, die ausgehend von Mensch und Gesellschaft räumliche Prozesse auf lokaler, nationaler und globaler Ebene analysieren, gewinnen mehr-als-menschliche und planetare Ansätze an Bedeutung. Das wirft die Frage auf, welche Formen der Teilhabe, des Politischen und der damit verbundenen Machtverhältnisse nach dem planetaren Turn eine Rolle spielen. Diese wollen wir im Rahmen der Tagung auf drei Ebenen weiterführen: 

  1. Welche Zukünfte kommen mit welchen Theorien in den Blick? Die kommenden Jahrzehnte unter den Vorzeichen von Klimawandel, planetaren Grenzen, ökonomischen und geopolitischen Umbrüchen werden in vielen Szenarien eher dystopisch gezeichnet. Wie sehen kritische Perspektiven auf den politischen Umgang mit bedrohlicher Zukunft aus? Welche technologischen, politischen und sozialen Lösungen kommen dabei in den Blick, welche werden ausgeblendet? Und wie wird Zukunft dadurch bereits in der Gegenwart diskursiv und in Form neuer Infrastrukturen „prä“-formatiert, in gewisser Weise also „vorweggenommen“? Welche Chancen bieten planetare und andere Ansätze, um Marginalisierungen sichtbar zu machen und Vorwegnahmen im Zeichen von Krisen oder Katastrophen wieder aufzubrechen, sie politisch neu auszuhandeln?
  2. Wie lässt sich das Politische von Geographien planetaren Wandels denken? Neben sozialen und politisch-ökonomischen Dynamiken nehmen planetare Ansätze auch die politische Agentialität von mehr-als-menschlichen Akteuren in den Blick. Während die entanglements zwischen Mensch und Mehr-als-Menschlichem mittlerweile gut erforscht sind, bleibt die Frage spannend, inwiefern planetare und neu-materialistische Ansätze in der Lage sind, Fragen von Politik und Macht rund um die Zukunft des Anthropozäns zu adressieren. Mit welchen Ansätzen lassen sich Machtverhältnisse und Politiken des Anthropozäns dekonstruieren? Welche Machttechnologien werden unter den Vorzeichen kapitalozäner Bedrohungen zur Regierung von (Über-)Leben in Gang gesetzt? Welche Theorieangebote bietet die Neue Kulturgeographie für einen reflexiven und kritischen Umgang mit aktuellen Zukünften und ihrer politischen Verhandlung? 
  3. Wo verortet sich die Neue Kulturgeographie angesichts der Dringlichkeit der aktuellen Krisen zwischen Reflexion und Intervention in die Praxis? Trotz der Dringlichkeit der Lage finden Antworten auf die planetare Krise häufig nur sehr langsam in die Praxis. Zu komplex scheinen die gesellschaftlichen Strukturen, in denen sie verankert werden müssen. Viel zu kurzfristig sind institutionelle Logiken wie Gewinnmaximierung, Wiederwahl oder Projektlaufzeiten in Politik, Ökonomie, Verwaltung oder Bildung angelegt, um in den komplexen Krisenrealitäten der Gegenwart langfristig zukunftsorientierte Lösungen entwickeln zu können. Welche Formen der Wissensproduktion sind geeignet, um den neuen Zeiten und Verhältnissen zu begegnen? In welcher Weise können sich Geograph*innen mit neuen Ansätzen in Politik, Verwaltung, Zivilgesellschaft, Ökonomie oder Planung an der Gestaltung kommender Dekaden beteiligen? Welche Rolle können urbane Experimente und Interventionen, Zukunftslabore oder Transferaktivitäten entfalten? In welcher Form kann Geographie in „emanzipativer Hinsicht“ theoretisieren? Inwieweit liegt die Stärke der Wissenschaft (und damit auch der Neuen Kulturgeographie) im Sinne von slow science in der Reflexion und theoriegeleiteten Kritik schneller Gegenwartsdiagnosen und ihrer vermeintlich „alternativlosen“ Lösungen? 

Vielen Dank für die zahlreichen Einreichungen! Eure Tagungsbeiträge können weiterhin über das Portal Indico eingesehen werden.


Conference “Neue Kulturgeographie 2024”

Power of the Planetary – Transformative Geographies between Intervention and Reflection. 

May 23th-25th, 2024, Schlossplatz 2, Münster

A new epoch in Earth’s history, a new geopolitical era, the age of social polarization: The diagnoses of the present could hardly be more fundamental and far-reaching. With the multiple crises discussed at NKG 2023 and discussions about a planetary turn (DKG 2023), the geosciences seem to be becoming a promising academic venue for future-oriented reflections and transformative approaches. Geographers in academia and practice are working with a range of topics and concepts, including climate change adaptation, mitigation, and resilience; environmental justice; smart and sustainable urban development; global health security and planetary health; ecosystem services and carbon sinks; geopolitical risk scenarios and global security architectures; economic deglobalization; post-growth etc. In the current planetary turn, human geography approaches criticize the focus on the human ‘as species’ as too narrow to deal with current challenges. In addition to social theories that analyse spatial processes at scales from the local to the global from a primarily human-centred perspective, more-than-human- and planetary approaches are gaining importance. But how will participation, the political, and power relations play out in the planetary turn? The conference contributes to these debates at three levels:

  1. How can the political be conceptualized in the broader context of geographies of planetary change? In addition to social and political-economic dynamics, planetary approaches take into account the political agentiality of more-than-human actors. Although the entanglements between humans and more-than-humans are now well researched, the question remains to what extent planetary and new-materialist approaches can address politics and power. What approaches can be used to deconstruct power relations and politics in the Anthropocene? What technologies of power are enacted to securitize lives under capitalocene threats? What theoretical resources does human geography provide for reflexive and/or critical approaches to current futures and their political negotiation? 
  2. Which kinds of futures can be envisaged with which theories? In the wake of climate change, planetary boundaries, and economic and geopolitical disruptions, a lot of scenarios portray the coming decades as somewhat dystopic. What are the critical perspectives on the management and governance of threatening futures? Which technological, political, and social solutions come into view, and which ones are omitted? And how do present discourses and infrastructures anticipate the future? How can futures unfold differently? 
  3. Given the urgency of reacting to the current crises, where do scholars in the field of new cultural geography situate themselves between reflection and practical intervention? Answers to the planetary crisis are often implemented only very slowly. The social structures in which they must be anchored seem too complex. Institutional logics such as profit maximization, re-election in politics, and project-driven logics in economics, administration, and education are much too short term to be able to develop sustainable future-oriented solutions in the complex realities of the present. Which forms of knowledge production are suitable for facing these conditions? To what extent can geographers contribute with new approaches in politics, administration, civil society, economics, and planning? What role can urban experiments, activist interventions, future laboratories, and transfer activities play? How can geographers theorize in emancipative terms? How can those in the field of new cultural geography reflect and critically challenge hasty diagnoses and solutions supposedly without alternatives?

Thank you very much for your submissions and contributions that reflect on these questions theoretically and/or explore them empirically. It’s possible to review your own submission following this link to the platform Indico. Attached below you find the original call for papers.